Pilotprojekt Biogasanlage

„Abfall ist unsere Ressource zur Gasgewinnung“

Biogasanlage in Emba Derho erfolgreich in Betrieb genommen
Ein Erfahrungsbericht von unserem Reisenden, Martin Zimmermann

Mit Kidanemariam Feday, Consultant in Sachen Biogasanlagen bei der Eritrean National War and Disabled Veterans Association (ENWDVA) machen wir uns auf den Weg zu einem kleinen Dorf nahe Emba Derho. Dort hat Kidanemariam bei der Familie eines Kriegsversehrten eine Biogasanlage aufgebaut. Vor 12 Tagen ging die Anlage in Betrieb. Konzipiert von Kidanemariam und aus Komponenten gebaut, die auf dem lokalen Markt in Eritrea gekauft und hergestellt werden können und manches aus Kenia importiert.

Auf dem Gehöft von Tesfu Berhe und Dehab Hagos wurde die Anlage als Pilotprojekt errichtet. Die kinderreiche Familie hat 7 Kühe, 2 Ochsen, 4 Esel und 10 Hühner sowie einige Parzellen Land, auf denen neben Apfel- auch Guavabäume angepflanzt sind. Felder sind mit Kartoffeln, Mais, Knoblauch, Zwiebeln und Alfa-Alfagras (Viehfutter) angebaut. Der Verkauf ihrer landwirtschaftlichen Produkte von Milch und Eiern sichert das Einkommen der Familie gerade so.

Die Abfallprodukte aus der Landwirtschaft (Kuhmist, usw.) sind neben Wasser der wichtigste Stoff für den Betrieb der Biogasanlage, die laut Kidanemariam nach seinen Berechnungen bei ständiger Befüllung Biogas für eine Kochzeit von 6 bis 8 Stunden liefern wird.

Die Funktionsweise der Anlage kurz erklärt: Speisereste, Tierdung, Pflanzen und Getreideabfälle werden in einer „Vorgrube“ (hier eine Tonne mit manuellem Rührwerk) vermischt, mit Wasser angereichert und in einen 6 Kubikmeter fassenden stabilen Kunststoffsack (Fermenter) geleitet. Bakterien zersetzen den Abfall und bilden neben Kohlendioxid das brennbare Methangas – das jedoch zuerst durch eine Druckwasserwäsche getrennt werden muss. Das Methangas, das sich in dem Kunststoffsack bildet, wird über eine Leitung und einen Wasserabscheider in die Küche geführt. Es erreicht in etwa den Heizwert von Erdgas und betreibt den dreiflammigen Kocher in der Küche. Der flüssige Gärschlamm, der sich dabei in dem Kunststoffsack bildet, ist außerdem wertvoller biologischer Dünger für den landwirtschaftlichen Anbau.

Tesfu Berhe demonstriert, wie er Kuhdung und Wasser in dem Rührwerk vermischt, dass dann in den bereits gut aufgeblähten Fermentersack fließt.

Kindeanemariam überprüft den Behälter zur Gasdruckwäsche, dann kommt der spannende Moment:  Er öffnet den Absperrhahn zum Gaskocher, ein kontinuierliches Zischen ist zu hören. Doch was aus der Leitung kommt, brennt nicht. „Es ist noch nicht soweit“, sagt der Experte. „Das ist erst Kohlendioxid. Wir müssen noch etwas warten, bis Methangas kommt.“ Ein bisschen Enttäuschung schwingt schon mit, als er uns diese Botschaft überbringt. Zu gerne hätte er in diesem Augenblick den Moment genossen, der beweist, dass die Anlage funktioniert.

Während er sich noch um einzelne Elemente der Anlage kümmert, zeigt uns Tesfu seine Farm. Den Kuhstall, auf dessen Dach das getrocknete Futter lagert, hat er weiter weg von der Gasanlage neu erbaut. Erste Versuche, den Dung aus der Anlage für Anzucht von Maispflanzen zu nutzen, hat er schon gemacht und ist sehr zufrieden: „Es ist erstaunlich, wie schnell der Mais gewachsen ist“, sagt er. Auf seinem Kartoffelfeld zieht er schon länger eine vom Landwirtschaftsministerium verteilte neue Kartoffelsorte, „ertragreich und resistent gegen Krankheiten“, wie er uns berichtet.

Den Gang über die Felder müssen wir nach einiger Zeit unterbrechen, weil Kidanemariam uns aufgeregt zuruft: „Kommt her, es funktioniert!“ Alle stürmen in die Küche, wo er strahlend den Gashahn öffnet und es geradezu zelebriert, die erste Flamme am Kocher mit einem Streichholz zu entzünden. Das anfängliche Staunen aller weicht purer Freude. Dehab jubelt laut und nimmt ihren Mann in den Arm – nur wenig später ist die Nachbarin da, die sich über den Jubel wundert, die lodernde Gasflamme betrachtet und sich sofort aufmacht im ganzen Dorf zu verkünden, was sich in der Küche von Tesfu und Dehab tut…

Sichtlich erleichtert, stolz und begeistert ist auch Kidanemariam. Die erste Biogasanlage in Eritrea wurde soeben in Betrieb genommen! Inzwischen steht bereits ein Topf mit Wasser auf der Flamme, die Kinder und weitere, hinzugekommene Nachbarn werfen neugierige Blicke auf den Herd.

Denn die blauen Gasflammen stehen für eine sich anbahnende große Änderung: Im Haushalt von Tesfu und Dehab wir ab sofort mit Gas gekocht. Vorbei sind die Zeiten, als die Frau und die Kinder stundenlang unterwegs waren um außerhalb des Dorfes (wo kein Baum gefällt werden darf) Brennholz zu sammeln. Vorbei sind die Zeiten, wo der Qualm des Feuerholzes Augen und Bronchien reizte… Die Zukunft in der Küche von Tesfu und Dehab hat begonnen.

Dass die Anlage funktioniert, das Gas brennt, das scheint für Kidanemariam schon Vergangenheit geraten zu sein, als wir später noch gemeinsam beim Abendessen sitzen. Nun geht es um weitere Feinheiten, erzählt er: Die Brennerdüsen sind zwar schon so angepasst, dass zum Kochen auch ein traditioneller Tontopf verwendet werden kann, aber ein Problem gilt es noch zu lösen: Ein Brenner für den großen Mogogo, auf dem die Ingeras mit rund 40 bis 50 Zentimeter Durchmesser und Brot gebacken werden, muss noch entwickelt werden. Ideen dazu hat er schon im Kopf.

Am Tag drauf musste er allerdings Pause machen: Das eritreische Fernsehen und Zeitungsreporter haben sich angesagt, um über das erfolgreiche Pilotprojekt zu berichten…

Probleme und Herausforderungen für den Betrieb einer Biogasanlage in Eritrea

Biogasanlagen verbrauchen auch Wasser. Das ist in Eritrea in vielen Orten knappes und kostbares Gut. Tesfu hat neben seinem Haus einen Bachlauf, gespeist von einem kleinen Damm und sammelt auch das Regenwasser von den Dächern seiner Farm. Für das Pilotprojekt wurde deshalb auch dieser Standort gewählt.

Für die Produktion von Biogas eignen sich deshalb nur Standorte, an denen Wasser verfügbar ist (zum Beispiel am Fuß eines Dammes). Es wird eine der Herausforderungen für die Weiterentwicklung des Projekts sein, nicht ausschließlich auf autarke Kleinanlagen zu setzen, sondern erzeugtes Biogas aus größeren Anlagen in Speichersäcke abzufüllen und Verbrauchern zur Verfügung zu stellen. Ideen und Modelle dazu gibt es bereits in anderen afrikanischen Ländern und sogar in Deutschland.

Das EHD beteiligt sich, zusammen mit dem Eritreischen Verein für Körperbehinderte e.V. Stuttgart an Pilotprojekten Biogas, um diese nachhaltige neue Gewinnung von Energie für die Dorfbevölkerung einzuführen.

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